Mämäntum: Wo Helden geboren werden

08.09.2024 10:23

Mämäntum: Wo Helden geboren werden

Für die Profiklubs steht in der zweiten Cup-Runde eine weitere Pflicht an, die Amateure hoffen auf die grosse Kür. Sensationen liegen in der Luft – ein Zufall ist das nicht.

Auf 32 Teilnehmer hat sich das Feld nach der ersten Cup-Runde reduziert. Die Unterschiede sind nach wie vor gross: Da die Profivereine, die sich nach dem Aufgalopp in Runde 1 auch jetzt keine Blösse geben dürfen; dort die siegreichen Amateurklubs, die von einem Coup träumen. Statistisch stehen ihre Chancen, nun auf einen Super-League-Vertreter zu treffen, ziemlich gut. Jene auf ein Weiterkommen sind in diesem Fall hingegen eigentlich bescheiden. Doch wenn irgendwo etwas gegen alle Wahrscheinlichkeiten erreicht kann, dann am ehesten im Cup, jenem Wettbewerb, in dem schon so manche Wunder geschrieben wurden.

Zum Beispiel jenes von Fabian Lüthold. In den 1990er-Jahren war er ein Stürmertalent im Nachwuchs des FC Luzern, der Sprung zum Berufsfussballer gelang ihm jedoch nicht. So landete er schliesslich beim FC Küssnacht am Rigi in der 2. Liga interregional, wo er den Sport als Hobby unter Freunden geniesst. 2005 zieht der Verein das grosse Los: In der zweiten Runde kommt der FC St.Gallen auf die Sportanlage Luterbach, und mit ihm Stars wie Marc Zellweger, Éric Hassli oder Alex Tachie-Mensah. Die Küssnachter Garderobe ist vollgepflastert mit Motivationspostern, die den Spielern den Glauben an das Wunder einimpfen sollen. Und tatsächlich: Der Underdog hält gut mit, der turmhohe Favorit kann kaum Druck entwickeln. Nach einer halben Stunde wird ein Einwurf von den Gästen nur ungenügend abgewehrt, der Ball landet bei Fabian Lüthold, der ihn traumhaft in die Maschen drischt. Auch danach kommen die St.Galler nicht in die Gänge, kurz vor Schluss verwandelt Lüthold gar noch einen Elfmeter.  Der FCK schafft damit einer der grössten Sensationen der Cupgeschichte.

Lüthold wird noch tagelang von Kameras und Mikrofonen begleitet, daneben geht fast ein wenig vergessen, dass so ein Exploit viele Helden kennt. Torhüter Werner Müller etwa, der da schon seit 25 (!) Jahren im Verein spielt und heute als Juniorentrainer amtet. Oder der Schwingverein, der an diesem grossen Tag die Rolle des Sicherheitspersonals übernahm. Wie stark so ein Ereignis in Erinnerung bleibt, bekommt Fabian Lüthold immer wieder zu spüren: «Noch heute, zwanzig Jahre später, passiert es mir ab und zu, dass ich im beruflichen Kontakt gefragt werde, ob ich nicht jener sei, der damals mit Küssnacht ...»

In der zweiten Runde hat einst auch eine besondere Liebesgeschichte begonnen: jene zwischen Erich Hänzi und dem Schweizer Cup. Mit dem kleinen FC Lengnau trifft der 20-jährige auf Titelverteidiger und Schweizer Meister FC Aarau, trainiert von Ottmar Hitzfeld. Es regnet in Strömen, der Platz muss an mehreren Stellen mit Sägemehl ausgebessert werden. Der Aussenseiter geht früh in Führung, in der zweiten Halbzeit lanciert Hänzi mit einem Steilpass das 2:0. Es ist der erste grosse Auftritt des Blondschopf in diesem traditionsreichen Wettbewerb. Es folgen so viele weitere, dass Erich Hänzi zum «Mister Cup» schlechthin wird: Mit den Young Boys (1987, 1991) und Lausanne (1998, 1999, 2000) erreicht er fünf Mal den Final. Eine kleine Tradition schuf der «Fussballgott», wie er in Bern genannt wurde, auch gleich noch: Bei der ersten Siegesfeier mit YB stemmt jeder Spieler den Pokal vor Bundesrat Adolf Ogi und trinkt dann daraus. Der freundliche Hänzi hingegen bietet erst dem Sportminister einen Schluck an. Ein Ritual, das fortan bei jedem Triumph wiederholt wird.

In der zweiten Runde schaltet der Cup einen Gang höher. Noch immer kennen die meisten Partien einen klaren Favoriten, die Resultate fallen dennoch oftmals ungemein knapp aus. Uli Forte, der als Trainer mit GC und dem FC Zürich den Pokal gewann, sagt: «Das ist eben auch das Schöne am Cup: In vielen Amateurvereinen wird super gearbeitet, und niemand bekommt das mit. Der Cup bietet die Möglichkeit, die Früchte dieser Arbeit einem grösseren Publikum zu präsentieren.» Wie gut diese Arbeit tatsächlich ist, erleben die Profis jeweils spätestens ab den Sechzehntelfinals. Die Amateurklubs schlagen sich nämlich meist mehr als wacker, und bei manchen von ihnen werden in dieser Runde neue Helden geboren, über die man noch Dekaden später im Klubhäuschen reden wird. Solche wie Küssnachts Fabian Lüthold oder Lengnaus Erich Hänzi.

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Autor und Bild: Mämä Sykora / Keystone-SDA